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Positionen

Kennzahl: 17.12546

„Silicon Saarland“

Im Blickpunkt
Von Dr. Mathias Hafner

14.09.2016

Digitalisierung und weltweite Vernetzung bieten ganz neue Möglichkeiten für innovative Unternehmensgründungen. Wir sollten sie im Saarland bestmöglich fördern.  

Wir leben in einem entwickelten Industrieland. Auf unseren Absatzmärkten herrscht harter Wettbewerb, die Margen in vielen Segmenten sind minimal, die Kunden verwöhnt. Zugleich haben unsere Betriebe über Jahre und Jahrzehnte ihre Produkte und Produktionsprozesse durch zahlreiche Innovationen optimiert und noch das letzte Quäntchen an Effizienzreserve gehoben. In einem solchen Umfeld zu gründen und die etablierten Unternehmen herauszufordern, sollte man sich gut überlegen. Und doch: Es war noch nie so einfach zu gründen wie heute. Denn die gute Nachricht ist: Man muss gar nicht noch besser sein als die Etablierten – wenn man denn genügend „anders“ ist. Und „anders sein“ ist Dank Digitalisierung und weltweiter Vernetzung gar nicht so schwierig, das zeigen viele Beispiele. Dem traditionellen Warenhaus etwa haben nicht Konkurrenten das Leben schwer gemacht, die noch mehr Produkte an einem Standort präsentieren oder ihre Waren noch schöner in Schaufenstern und Prospekten anpreisen. Amazon benötigt weder Verkaufsräume noch Prospekte. Es gibt viel andere Beispiele: Das größte Hotel der Welt, das keine Zimmer hat (airbnb) oder die größte Taxiflotte ohne eigene PKW (Uber). Eine gute Idee mit dem mächtigen Antrieb der Digitalisierung kann so ganze Branchen aufmischen. Disruption heißt das Zauberwort.

Wirtschaft im Umbruch

Was geht das unsere Wirtschaft im kleinen Saarland an? Eine ganze Menge. Denn wenn die digitale Revolution solche Sprengkraft hat, müssen wir verstärkt darauf achten, wie auch künftig Wertschöpfung im Land generiert werden kann.
Beispiel Automotive, die saarländische Kernbranche. Heute steht in Deutschland eine riesige deutsche PKW-Flotte 23 Stunden am Tag nutzlos herum. Car-Sharing ist zwar schon länger am Markt, aber nur in Großstädten mehr als ein Randphänomen. Alles noch viel zu umständlich. Wie aber, wenn die Technik für das autonome Fahren so weit ist, dass Autos selbstständig Parkplätze ansteuern können und so zu „Automobilen“ im Wortsinne geworden sind? Wenn man jederzeit oder auf Vorbestellung aus einem zentralen Fahrzeugpool sein Wunschmodell zu sich bestellen kann? Die Konsequenzen liegen auf der Hand: Künftig fahren wir wohl kaum noch Autos, die uns selbst gehören. Und wegen der weitaus besseren Auslastung benötigen wir viel weniger Autos – mit den entsprechenden Auswirkungen auf die Automotive-Industrie. Wertschöpfung generieren und viel Geld verdienen können dann solche Unternehmen, die entsprechende Lösungen anbieten – etwa indem sie eine sichere elektronische steuerbare Logistik für diesen neuen Bedarf entwickeln.

Es wäre wünschenswert, wenn solche Entwicklungen im Saarland passieren. Doch auch wenn wir sicher sein können, dass unsere bestehenden Betriebe ihre Märkte genau im Blick haben und versuchen, sich bestmöglich auf neue Entwicklungen einzustellen: In einem Großunternehmen disruptive Erneuerungen zu fördern, ist alles andere als einfach. Eben deshalb sind innovative Neu-Gründungen so wichtig. Das Saarland sollte sie gezielt und bestmöglich fördern.

Geringe Selbstständigenquote im Saarland – na und?

Dies kann bei begrenzten Budgets auch bedeuten, zielgerichteter zu werden und sich von lieb gewonnen  Zielen zu verabschieden. Etwa davon, auf Teufel komm raus die Selbstständigenquote zu erhöhen. Schon richtig: Gemessen an der Zahl der  Erwerbspersonen gibt es im Saarland gerade mal 7,4 Prozent Selbstständige. Damit liegt das Saarland im bundesweiten Vergleich ganz hinten. Das kann man beklagen und seit vielen Jahren ist der Abbau dieses Rückstandes erklärtes Ziel der Landesregierung. Aber: diese Quote allein ist wenig aussagekräftig, wie der Blick über die Landesgrenzen zeigt. Die internationale Statistik weist nämlich die höchste europäische Selbstständigenquote für Griechenland aus – mit 30,6 Prozent. Dem wollen wir wohl kaum nacheifern. Schon dies macht deutlich: Beim Gründen und der Gründungsförderung kommt es nicht auf Masse an, sondern auf Klasse.

Aber haben wir im Saarland solche Gründer überhaupt? Ist das nicht ein Thema für das Silicon Valley, die Ideenschmiede der Welt mit angeschlossenem Geldspeicher? Natürlich ist das Valley kaum zu kopieren: Dort strömen von allen Seiten innovative Köpfe ein, die nichts weniger möchten, als die Welt zu verändern. Es gibt zugleich ungeheuer viel Kapital auf der Suche nach Geschäftsideen mit großem Wachstumspotential. So entsteht ein beispielloser Wettstreit der Ideen, der viele aufstrebende Unternehmen hervorbringt und in kürzester Zeit Weltkonzerne entstehen lässt; der aber auch - das sollte man nicht übersehen - viele gescheiterte Jungunternehmen hinterlässt. Das Silicon Valley zu kopieren, wird kaum möglich sein – und ist wahrscheinlich auch gar nicht wünschenswert. Aber die Erfolgsfaktoren der dynamischsten Start-Up Region der Welt in den Blick zu nehmen, hilft sehr wohl bei der Einschätzung des eigenen Standortes.

Triebfeder Hochschulen

Triebfeder für innovative und technologieorientierte Gründungen sind überall die Hochschulen und angegliederte Institute. Und da ist das Saarland – auch wenn die leidige Uni-Diskussion mitunter ein schiefes Bild zeichnet – sehr gut aufgestellt. Das Land bildet Nachwuchs- und Spitzenforscher unter anderem in den Bereichen IT, Nanotechnologie oder Pharmazie aus. Und zieht sie aus aller Welt an. Die Universität des Saarlandes ist dabei eine der internationalsten Hochschulen in Deutschland, die HTW eine besonders forschungsstarke Fachhochschule. Besonders erfreulich: Beide großen saarländischen Hochschulen unterstützen  mittlerweile systematisch Gründungen. Unsere Saar-Uni hat sich als eine von nur drei deutschen Unis mit einem überzeugenden Konzept den Titel „Exist-Gründerhochschule“ verdient - und setzt das Konzept mit großer Leidenschaft um. Und die HTW hat gerade erst mit dem HTW/FITT-Gründerzentrum Büros und Labore für Start-Ups geschaffen. Das alles lässt hoffen. In Stanford gründen mehr als Zweidrittel der Absolventen innerhalb von drei Jahren nach ihrem Abschluss ein Unternehmen - davon sind wir noch weit entfernt. Aber das Klima an den saarländischen Hochschulen ist erheblich gründungsfreundlicher geworden. Unsere Hochschulen verdienen Anerkennung, dass sie dem Thema Ausgründungen mittlerweile eine so hohe Priorität einräumen.

Vieles ist also schon auf gutem Weg, manches lässt sich aber noch verbessern. Zunächst  sollte es für ein hochverschuldetes Land wie das Saarland selbstverständlich sein, dass in der Hochschulausrichtung klare Prioritäten gesetzt werden. Dies zugunsten der Studiengänge, die wirtschaftlich relevant sind wie die MINT-Fächer – weil sie die benötigten Fachkräfte für die Unternehmen im Land ausbilden, aber auch: Weil aus diesen Bereichen die meisten spannenden Gründungen kommen.

In der Gründungsberatung der IHK zeigt sich zudem, dass sich Gründer aus den Hochschulen oft noch schwertun, marktfähige Angebote zu entwickeln. Zu produktverliebt die Entwicklung, zu wenig Verständnis für Vertrieb und Marketing. Da ist unternehmerische Praxis gefragt, und hier können die engagierten Gründungsberater von KWT und FITT naturgemäß kaum unterstützen. Hilfreich sind  dann Praktiker wie die Mentoren und Business Angels aus dem in der IHK angesiedelten Business Angels Netzwerk Saarland (BANS). Und BANS, IHK-Gründerzentrum sowie saar.is arbeiten mit beiden Organisationen ja auch schon eng zusammen. Diese Zusammenarbeit sollten wir weiter ausbauen.

Neue IHK-Beraterdatenbank

Zu selten genutzt wird auch noch das Know-How der professionellen Gründungs- und Innovationsberater. Sie können das dringend benötigte Praxiswissen bieten, den Weg zu attraktiven Förderprogrammen bereiten und Stolperfallen im Gründungsprozess vermeiden helfen. Die IHK wird in Kürze eine „Beraterdatenbank Saarland“ freischalten – mit ihr werden die gezielte Beratersuche und die professionelle Begleitung bei der Nutzung von Fördermitteln weiter vereinfacht; gerade auch innovative Gründer profitieren.

Gibt es ein Finanzierungsproblem? Man sollte meinen, dass in der vielschichtigen  Förderkulisse aus EU-, Bundes- und Landesmitteln für jeden etwas dabei ist. Dies mag für traditionelle Gründungen auch weitgehend zutreffen. Aber: bei den risikoreichen Innovativen wird die Luft recht schnell dünn. Im Saarland ist neben einigen wenigen Privatinvestoren praktisch nur die Saarländische Wagnisfinanzierungsgesellschaft (SWG) aktiv - mitunter gemeinsam mit Partnern, um etwas größere Finanzierungsvolumina zu stemmen. Das ist zu wenig, gerade wenn man sieht, dass viele chancen- und risikoreiche Geschäftsmodelle durch die SWG gar nicht gefördert werden können – weil sie zu wenige technologische Neuerungen bieten. Bei Uber und airbnb wäre allein deshalb eine Finanzierung durch die SWG wohl kaum möglich gewesen. Das sollte uns zu denken geben.
Möglicherweise muss man hier auch ganz neue Wege gehen: Nachdenken ließe sich etwa über ein Crowdfunding-Modell, das den Aufbau eines gemeinsamen Fonds zur Start-Up-Finanzierung beinhaltet – wohlgemerkt ein Modell, das auf Beteiligungen und damit echtes Risikokapital statt Darlehenskonstruktionen setzt. Ein solcher „Saarland-Fonds“ könnte in Zeiten niedriger Zinsen durchaus für breite Gesellschaftsschichten interessant sein – zumal die notwendige Risikostreuung genauso gegeben wäre wie die Möglichkeit, auch mit kleinen Anteilen in saarländische Start-Ups zu investieren. Eine Verbindung aus Förderung innovativer Ausgründungen der Region mit attraktiven Renditen hätte einigen Charme – und könnte dem Innovationsstandort Saarland zusätzliche Impulse geben.