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Keine halben Sachen – der Soli muss ganz weg!

Im Blickpunkt
von Dr. Heino Klingen

07.12.2018

Was muss eigentlich noch passieren, damit die Bundesregierung steuerpolitisch aufwacht und endlich in die Offensive geht? Der vorläufig letzte Weckruf kam Ende Oktober von der Steuerschätzung. Danach steigen die gesamtstaatlichen Steuereinnahmen von derzeit 775 Milliarden Euro in den nächsten fünf Jahren auf die gigantische Summe von 940 Milliarden Euro. Geld ist also genug da. Aber wie steht es um den steuerpolitischen Willen, es denen zurückzugeben, die es erwirtschaftet haben?

Von der Steuerflut profitieren mehr oder weniger alle Gebietskörperschaften. Das weckt natürlich allerorten Begehrlichkeiten – im Bund, in den Ländern und bei den Kommunen. Zu befürchten ist deshalb, dass neben der allfälligen und sicher notwendigen Erhöhung der Investitionsetats wieder vorwiegend sozialpolitische Wohltaten beschlossen werden. Die aktuelle Hartz-IV Diskussion gibt einen Vorgeschmack darauf. Doch statt weiter in die Vergangenheit zu investieren, wie es der Bund mit der zweiten Stufe der Mütterrente gerade tut, ist die Zeit reif, steuerpolitisch für die Zukunft vorzusorgen. Nötig wäre das allemal.

Beispiel Spitzensteuersatz: Zahlten 2005 „nur“ 1,3 Millionen Steuerzahler den Spitzensteuersatz, stieg diese Zahl bis 2017 um mehr als das Doppelte auf 2,7 Millionen. Wobei die Betroffenen nicht unbedingt zu den Topverdienern gehören. Denn um heute mit dem Spitzensteuersatz belangt zu werden, reicht das 1,6-fache des Durchschnittseinkommens. 1960 musste man dafür noch achtzehnmal so viel verdienen. Das sollte man sich auf der Zunge zergehen lassen: Spitzenverdiener ist, wer anderthalbmal so viel bekommt wie der Durchschnitt.

Beispiel Gewinnsteuern der Unternehmen: Diese sind seit der Krise 2008/09 fast dreimal so stark gestiegen wie das nominale Bruttoinlandsprodukt. Und zwar nicht nur wegen höherer Gewinne, sondern auch und vor allem wegen der zum Teil drastischen Erhöhungen der Gewerbesteuerhebesätze in vielen Kommunen.

Steuerpolitischer Handlungsbedarf ergibt sich aber auch wegen der Steuersenkungen bei unseren Nachbarn in Europa sowie in den Vereinigten Staaten und China. Obendrein nicht zu vergessen ist die aktuell lahmende Konjunktur, der angesichts des nachlassenden weltwirtschaftlichen Wachstums ein Steuerimpuls gut tun würde.

Es gibt also Gründe genug für die Bundesregierung, in der Steuerpolitik forscher und mutiger voranzugehen als sie das im Koalitionsvertrag vereinbart hat. Die derzeitige Diskussion über den Solidaritätszuschlag zeigt, dass zumindest der größere Koalitionspartner dazu bereit scheint. Jedenfalls gibt es in der CDU immer mehr Stimmen, die den Soli noch in dieser Legislaturperiode komplett abschaffen wollen. Die SPD beharrt dagegen auf der Koalitionsvereinbarung, nur untere Einkommensklassen vom Soli zu befreien. Zu den Begünstigten zählten dann Steuerzahler mit einem zu versteuernden Jahreseinkommen von bis zu 62.000 Euro. Wer mehr verdient, muss weiter zahlen.

Kommt es so, dann erhält der Soli eine ganz neue Ausrichtung: Noch mehr Solidarität zwischen Arm und Reich statt Solidarität zwischen Ost und West. Das kann man wollen. Und sicher ist es auch politisch legitim, gut Verdienende höher zu besteuern als Geringverdiener. Nur: Dafür gibt es bereits ein probates Instrument – die Einkommensteuer. Idealerweise spiegelt sich in ihrem Tarifverlauf die gesellschaftspolitische Diskussion über Verteilungs- und Gerechtigkeitsfragen. Der Soli ist das falsche Medium dafür. Er hat nach dem Versiegen der Transfers an die östlichen Bundesländer seine Existenzberechtigung verloren. Ihn nur teilweise abzuschaffen und umzuwidmen, wäre eine Mogelpackung mit Etikettenschwindel. Denn er ist keineswegs nur der „Soli für Reiche“, wie manche meinen. Stattdessen belastet er unverändert weite Teile der Mittelschicht, die zwar gut verdient, aber alles andere als reich ist.

Vor allem aber würden jene mittelständischen Unternehmen, die als Personengesellschaften oft als Rückgrat der Wirtschaft umgarnt werden, weiterhin die Hauptlast des Soli tragen. Also gerade jene Unternehmen, die hier im Land investieren und unserer Wirtschaft ein Gesicht geben – als Einzelhändler, Handwerker, Gastronom oder Hotelier. Es ist deshalb ein Gebot der Stunde, über die vollständige Abschaffung des Soli den Einstieg in eine Einkommenssteuerreform zu finden, die Fehlentwicklungen der Vergangenheit korrigiert und nicht zuletzt unter Verteilungsgesichtspunkten die Mitte unserer Gesellschaft stärker in den Blick nimmt. Wann, wenn nicht jetzt?!