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Die Kommunen zukunftsfähig machen!

Standpunkt
Von Volker Giersch

10.04.2015

Endlich liegt es vor – das lang erwartete Gutachten des Finanzexperten Junkernheinrich über die Finanzlage der Saar-Kommunen. Zwar müssen wir uns zunächst noch mit „21 ausgewählten Kernergebnissen“ begnügen. Die ausformulierte Langfassung wird aber in Kürze folgen. Erkennbar ist schon jetzt, dass die Analysen und Empfehlungen des Wissenschaftlers aus Kaiserslautern eine gute Grundlage bieten, die Lösung der kommunalen Finanzprobleme endlich beherzt anzugehen.

Die Zeit drängt. Denn die Finanzlage der Saar-Kommunen ist desolat. Unsere Städte und Gemeinden weisen im Ländervergleich die mit Abstand höchsten Gesamtschulden auf. Schlimmer noch: Viele Kommunen finanzieren bereits einen guten Teil ihrer laufenden Ausgaben für Personal und Soziales über so genannte Kassenkredite. Saarlandweit belaufen sich diese kommunalen „Dispo-Kredite“ inzwischen auf rund 2,1 Milliarden Euro. Junkernheinrich unterstreicht zu Recht, dass dieser Finanzierungsweg äußerst gefährlich ist. Denn er führt unweigerlich in die Überschuldung.

Klar sein sollte auch: Die finanzielle Sanierung unserer Kommunen ist für die Zukunftsfähigkeit des Landes von entscheidender Bedeutung. Nur mit vitalen und leistungsfähigen Gemeinden hat das Saarland eine positive Perspektive – wirtschaftlich und politisch. In der Sache geht es zunächst darum, die Haushaltsdefizite rasch und nachhaltig abzubauen. Das ist notwendig, aber nicht hinreichend. Ebenso dringlich ist es, in den Kommunalhaushalten die richtige Balance aus konsumtiven und investiven Ausgaben zu finden. Die Investitionsquote unserer Städte und Gemeinden bewegt sich seit Jahren bereits auf einem bedenklich niedrigen Niveau. Mit rund acht Prozent liegt sie um gut ein Drittel unter dem Durchschnittswert aller deutschen Kommunen. Und die Tendenz zeigt weiter nach unten. Diesen Trend gilt es zu durchbrechen. Nur dann kann unser Land als Wirtschafts- und Lebensstandort wirtschaftlich erfolgreich bleiben.

Unsere IHK mahnt vor diesem Hintergrund schon seit Jahren nachhaltige Sparbeschlüsse und insbesondere auch grundlegende Strukturreformen an. Wir haben frühzeitig darauf hingewiesen, dass auf die Phase des starken Personalaufwuchses seit 2007 endlich eine Phase des nachhaltigen Stellenabbaus folgen muss. Wir werben seit Jahren dafür, das Überangebot an Bädern und Mehrzweckhallen der demografisch bedingt sinkenden Nachfrage anzupassen. Und wir stellen seit Jahrzehnten bereits die Frage, ob ein kleines Land wie das Saarland nicht mit ähnlich schlanken Verwaltungsstrukturen auskommen kann wie die Stadtstaaten.

Leider hat die Politik im Land allzu lange weitgehend tatenlos zugesehen, wie sich die Probleme der Kommunen existenzbedrohend zugespitzt haben. Seit 2010, so die Analyse von Junkernheinrich, ist im Saarland – im Gegensatz zu den Gemeinden in anderen Flächenländern – eine deutliche Problemverschärfung festzustellen.

Die Gründe für die Finanzmisere sind vielschichtig. Auf den Punkt gebracht lautet der Befund: Die Kommunen leben – geduldet durch eine viel zu laxe Kommunalaufsicht – lange Zeit bereits weit über ihre Verhältnisse. Konkret manifestiert sich das in ausufernden Kassenkrediten und in deutlich zu hohen Kosten für Personal, für Soziales und für überdimensionierte Infrastrukturen. Hinzu kommt, dass die Kommunen da, wo es unpopulär ist, ihre Einnahmenspielräume nicht voll ausschöpfen. Genau an diesen Schwachstellen muss die Politik jetzt ansetzen.

Effizienzoffensive in der Verwaltung

Der starke Personalaufbau seit 2007 – je Einwohner gerechnet um rund 19 Prozent – lastet schwer auf der Ausgabenseite der Haushalte. Junkernheinrich sieht hier einen Konsolidierungsbedarf von rund zehn Prozent. Ein entsprechender Stellenabbau, den ja auch Innenminister Klaus Bouillon für erforderlich hält, würde jährliche Einsparungen von gut 60 Millionen Euro bringen. Es wäre jetzt richtig und wichtig, dem Beispiel der Landesregierung zu folgen und konkrete Ziele für die Personalentwicklung in den nächsten fünf bis zehn Jahren festzulegen. Friktionslos wird das aber wohl nur möglich sein im Rahmen einer breit angelegten Effizienzoffensive.

Sozialausgaben wirksam begrenzen

Laut Gutachten liegen die Sozialausgaben, die bei den Kommunen und Kreisen anfallen, deutlich über dem Niveau in anderen Bundesländern. Die Kreisumlagen erreichen entsprechend Rekordstände. Auffallend sind gemäß der amtlichen Statistik insbesondere die hohen Ausgaben im Bereich der Erziehungs- und Eingliederungshilfe für Jugendliche. Je Fall gerechnet geben die Kommunen und Kreise hier 95 Prozent mehr aus als alle Länder im Schnitt. Entsprechend dringlich ist es, die Organisations- und Förderstrukturen rasch und eingehend auf ihre Effizienz hin zu überprüfen.

Landesweite Infrastrukturplanung

Mit Blick auf die haushaltsnahen Infrastrukturangebote bestätigt Junkernheinrich die Analyse unserer IHK. Insbesondere im finanziell gewichtigen Bäderbereich ist, so das Gutachten, trotz Schließung einiger Bäder ein sehr hoher Versorgungsgrad festzustellen – sowohl bezogen auf die Zahl der Bäder als auch auf die Wasserfläche. „Angesichts der hohen Defizite von häufig über einer halben Million Euro pro Bad und Jahr ist hier eine regional abgestimmte Infrastrukturplanung notwendig“, so Junkernheinrich. Als Steuerungsinstrument hat unsere IHK wiederholt bereits die Bildung einer landesweiten Trägergesellschaft (vgl. Standpunkt Heft 10/2014) vorgeschlagen.

Einnahmespielräume besser ausschöpfen

Zur Finanznot trägt aber auch bei, dass die Saar-Kommunen ihre Einnahmemöglichkeiten bislang nicht voll ausschöpfen. Das ist vor allem dort der Fall, wo die Bürger betroffen sind. So liegen die Hebesätze bei der Grundsteuer B im Saarland am Ende der Länderskala. Eine Anhebung der Sätze auf den Länderschnitt würde den Kommunen Mehreinnahmen von bis zu 28 Millionen Euro pro Jahr bringen. Auch bei Gebühren und Beiträgen ließen sich nach Junkernheinrich Mehreinnahmen in der Größenordnung von 13 bis 19 Millionen Euro erzielen. Diese Spielräume auszuschöpfen mag zwar unpopulär sein, ist aber längst überfällig.

Bei der Belastung der Wirtschaft ist die Lage genau umgekehrt. Die Unternehmen werden hierzulande deutlich stärker belastet als anderswo. So liegen die Hebesätze der Gewerbesteuer seit Jahrzehnten weit über dem Länderschnitt – mit der Folge, dass die Saarwirtschaft Jahr für Jahr eine Sonderlast von rund 40 Millionen Euro zu tragen hat. Das hat unsere IHK immer wieder kritisch angesprochen. Und deshalb jetzt nochmals der eindringliche Appell an die Kommunalparlamente: Finger weg von den Gewerbesteuerhebesätzen!! Unsere Wirtschaft würde ansonsten Schaden nehmen. Denn es bliebe den Unternehmen dann weniger Geld für arbeitsplatzschaffende Investitionen.

Unstrittig ist bei alledem, dass Bund und Land die Kommunen bei der Haushaltskonsolidierung wirksam unterstützen müssen. Die Stichworte heißen hier: temporäres Sanierungsbegleitprogramm des Landes, Weitergabe der Bundesmittel für die Eingliederungshilfe an die Kommunen und volle Weitergabe der Bundesmittel für Investitionen in finanzschwachen Gemeinden.

Ohne grundlegende Strukturreformen wird es nicht gehen

Eine der Kernfragen ist und bleibt, ob sich die gesteckten Ziele ohne eine grundlegende Gebiets- und Verwaltungsreform erreichen lassen. Ich meine nein! Denn wir warten – trotz der sich verschärfenden Finanzprobleme – seit Jahren bereits auf substanzielle freiwillige Kooperationen oder gar auf Fusionen zwischen den Gemeinden. Weitgehend vergeblich. Das zeigt: Politische Appelle und eigene Finanznot reichen wohl nicht aus, die massiven Widerstände zu überwinden, die der Verzicht auf Gestaltungsautonomie, lieb gewonnene Infrastrukturen und politische Ämter gemeinhin mit sich bringt. Andere Länder – darunter auch Rheinland-Pfalz – haben es mit so genannten „Hochzeitsprämien“ versucht. Mit gutem, aber keineswegs hinreichendem Erfolg. Ende 2013 setzte die Regierung deshalb über Einzelgesetze acht Zwangsfusionen durch. Finanzielle Anreize zur Fusion gibt es auch in Ländern wie Sachsen-Anhalt, Sachsen oder Thüringen. Sachsen etwa lockt mit einer „Hochzeitsprämie“ von 100 Euro je Einwohner – als Ausgleich für die relativ hohen Fusionskosten in der Startphase. Auch das Saarland braucht möglichst bald wirksame Anreize für mehr kommunale Kooperation und für freiwillige Fusionen.

Überdies muss auch die Rolle und Existenzberechtigung der Kreise nochmals grundlegend überdacht werden. Der Vorschlag des Magdeburger Professors Wolfgang Renzsch, einen „Regionalstaat Saarland“ zu entwickeln, zielt in die richtige Richtung. Er läuft letzten Endes darauf hinaus, Strukturelemente der Stadtstaaten auf das Bundesland Saarland zu übertragen. Im Ergebnis würde dann eine Verwaltungsebene entfallen. Die Politik im Land wäre gut beraten, sich bald und ernsthaft auch mit solch weitgehenden Reformmodellen zu befassen.

Insgesamt macht Hoffnung, dass Innenminister Klaus Bouillon die Probleme mit erfrischender Offenheit anspricht und mit großem Tatendrang auf konkrete Lösungen drängt. Der Aufbau einer funktionsfähigen, energischen und insbesondere nicht weisungsgebundenen Kommunalaufsicht sollte zu den Maßnahmen gehören, die ganz am Anfang stehen. Das gerade vom Ministerrat beschlossene Kommunalpaket Saar bildet einen guten Rahmen für viele weitere Spar- und Reformbeschlüsse, die rasch folgen müssen.