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Countdown zum Brexit?

Kolumne
Von IHK-Präsident Dr. Richard Weber

20.06.2016

Der 23. Juni könnte zu einem Schicksalstag für Europa werden. Entscheidet sich die britische Bevölkerung an diesem Tag im Referendum für einen „Brexit“, so hätte dies nicht nur eine ungeheure Symbolik in einer ohnehin schon von Krisen geschüttelten und integrationsskeptischen Staatengemeinschaft. Es drohen auch ganz massive realwirtschaftliche Folgen: für Großbritannien selbst, für die EU insgesamt, Deutschland - und ganz besonders für unser Saarland.
 
Denn was auch vielen Saarländern noch nicht bekannt sein dürfte: Seit 2012 ist Großbritannien die wichtigste Exportdestination für saarländische Güter – noch deutlich vor unserem Nachbarland Frankreich, zu dem ja traditionell eine besonders enge wirtschaftliche Verflechtung besteht. Im vergangenen Jahr erreichte das saarländische Exportvolumen nach Großbritannien sogar einen neuen Rekordwert: Güter im Wert von 2,7 Milliarden  Euro wurden gehandelt - ganz im Sinne der internationalen Arbeitsteilung in der Automobilindustrie vor allem KFZ-Teile, Komponenten bis hin zu kompletten Autos.

Noch ist nicht sicher, welche konkreten politischen Auswirkungen ein britisches „Nein“ zu Europa hätte: Wird es Zölle geben? Welche Verrechnungspreise werden wo besteuert? Und wie kompliziert wird die Mitarbeiter-Entsendung? Solche Themen kämen im Falle eines Brexit auf den Verhandlungstisch. Es ist nicht zu erwarten, dass dann die Geschäftsbeziehungen über den Ärmelkanal hinweg vereinfacht würden – ganz im Gegenteil. Die wenigsten EU-kritischen Hurra-Patrioten aus England dürften diese Folgen im Blick haben.
Jenseits der wirtschaftlichen Betrachtung aber bliebe die eigentliche Katastrophe, dass erstmals ein Mitglied die Europäische Union wieder verlässt. Der Integrationsprozess, der Europa zwei Generationen Frieden beschert hat, wäre empfindlich gestört. Und auch wenn die EU in den letzten drei Jahren nur bedingt erfolgreich in der Bewältigung außen – und binnenwirtschaftlicher Krisen war: Die EU ist insgesamt ein Erfolgsmodell dessen Errungenschaften uns leider erst dann richtig bewusst werden, wenn wir sie verlieren.
Zu befürchten ist daher, dass ein Brexit Wendepunkt in selbstgewählte Schwäche sein könnte - wirtschaftlich wie auch weltpolitisch, und zwar für die gesamte EU. Aber noch ist es ja nicht so weit. Die britische EU-Mitgliedschaft liegt vor allem auch im Interesse der Briten selbst. Und in den entscheidenden Fragen haben sich die Briten in der Vergangenheit meist pragmatisch und weltoffen gezeigt. Hoffen wir also, dass sich die Vernunft auch diesmal durchsetzen wird.