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Brei mit bitterem Nachgeschmack

Im Blickpunkt
Von Dr. Heino Klingen

15.05.2019

Als ehemalige Bergbauregion soll das Saarland jetzt auch Strukturhilfen erhalten. Das ist gut so, allerdings dürften nicht alle Wünsche in Erfüllung gehen.

Wenn es Brei regnet, soll man den Löffel raushalten. Alles andere wäre selbstvergessen. Das zu verlangen, ginge am wirklichen Leben vorbei. Insofern ist es auch nur recht und billig, dass das Saarland darauf drängt, für die vorzeitige Schließung der hiesigen Steinkohlekraftwerke kompensiert zu werden. Schließlich handelt es sich hierbei um eine klimapolitisch motivierte Entscheidung des Bundes, deren Konsequenzen gesamtstaatlich und nicht nur von den Kraftwerkstandorten zu tragen sind.

Eine ganz andere Frage ist, ob das Saarland auch im sogenannten „Strukturstärkungsgesetz“ bedacht werden muss. Dieses soll – grob gesagt – die Härten des Braunkohleausstiegs abfedern. Laut „Kohlekompromiss“ sind dafür bis 2038 40 Milliarden Euro vorgesehen, die den Ländern Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Sachsen-Anhalt zugutekommen sollen. Im Kern sind die Mittel vorgesehen für Infrastrukturmaßnahmen und Leuchtturmprojekte, die für den Verlust von Wirtschaftskraft und Arbeitsplätzen entschädigen sollen. Das hat im Saarland die Gemüter erregt. Schließlich sei man erst unlängst aus der Steinkohle ausgestiegen und dafür mit Peanuts abgespeist worden. Höchst ungerecht sei das. Und damit das auch jeder erfährt, hat sich Anfang April eine Delegation hochrangiger Kommunalpolitiker auf den Weg nach Berlin gemacht, um dort frisches Geld einzuwerben.

Ob am Ende alle Blütenträume in Erfüllung gehen, ist jedoch mehr als zweifelhaft. Denn das hieße, dass der „Kohlekompromiss“ neu aufgeschnürt und/oder noch mehr Geld ins System gepumpt werden müsste. Das allein schmälert schon die Erfolgswahrscheinlichkeit. Hinzu kommen noch grundsätzliche Erwägungen, die auch nicht eben günstig für das Saarland ausfallen. Etwa die Tatsache, dass der Ausstieg aus dem Steinkohlenbergbau im Saarland politisch gewollt war, während der Braunkohlekompromiss auf die Entscheidung des Bundes zurückgeht, den Abbau von Braunkohle bis 2038 einzustellen. Aus freien Stücken würden die betroffenen Bundesländer das nicht tun. Zu Recht verweisen sie darauf, dass die Braunkohle sich selbst trägt und profitabel ist, während die deutsche Steinkohle über Jahrzehnte mit mehr als 200 Milliarden Euro für die Sicherung und den sozialverträglichen Abbau von Arbeitsplätzen subventioniert wurde. Würde man jetzt – wie gefordert –weitere Gelder in die ehemaligen Steinkohlereviere lenken, liefe das auf eine Doppelförderung hinaus – für ehemalige und die Schaffung neuer Jobs. Das dürfte selbst engste Freunde des Saarlandes nachdenklich stimmen, die sich spätestens dann auch noch daran erinnern werden, dass das Saarland in den vergangenen 25 Jahren über Teilentschuldungen und Konsolidierungshilfen rund neun Milliarden Euro erhalten hat und ab 2020 durch die Neuordnung des Bund-Länder-Finanzausgleichs jährlich weitere 500 Millionen Euro bekommt.

Krisengerede schadet dem Image

Alle diese Argumente sind natürlich auch in Berlin bekannt. Man kann deshalb nur hoffen, dass dort nicht der Eindruck entstanden ist, die Saarländer seien notorische Bittsteller, die nicht mit Geld umgehen können und immer nur die Hand aufhalten. Das wäre fatal und konterkarierte alle Bemühungen des Saarland-Marketings, unser Land als gleichermaßen wirtschaftsstarke wie liebens- und lebenswerte Region im Herzen Europas zu etablieren. Es wäre auch deshalb bedauerlich, weil Land und Kommunen bewiesen haben, dass sie haushalten können. Wer vor einigen Jahren prophezeit hätte, dass sie schon bald ausgeglichene Etats haben, wäre gelinde gesagt nicht ernst genommen worden. Faktisch ist es aber so: Der Landesetat und so mancher Kommunalhaushalt sind auf dem Weg zur schwarzen Null. Es wäre schön, wenn sich das künftig auch in Berlin herumsprechen würde.

Leider ist einigen Amtsträgern in den vergangenen Wochen im Eifer des Gefechts für mehr Strukturhilfen der Maßstab verrückt. Nein :Im Saarland gehen die Lichter nicht aus und hier droht auch keine schwere Krise, die einen Rettungsschirm für Teile der Industrie erforderte. Sicher, die Zeiten sind gegenwärtig für eine hochgradig exportabhängige Industrie nicht leicht. Wobei insbesondere der ungelöste Brexit und die schwelenden Handelskonflikte den Unternehmen zusetzen. Doch das heißt noch lange nicht, dass sie schlecht aufgestellt sind, antiquierte Produkte hätten oder verfahrenstechnisch nicht auf der Höhe der Zeit wären. Der Großauftrag von BMW an ZF zeigt, dass es eher umgekehrt ist. Deshalb wünschte man sich auch bei der Beurteilung der Zukunftsfähigkeit unserer Unternehmen mehr Fingerspitzengefühl. Andernfalls muss sich die Industrie für einen Strukturwandel in Mithaftung genommen sehen, der noch gar nicht da ist, für den man aber schon heute finanziell entschädigt werden möchte. Das ist nicht nur ein Novum, sondern auch starker Tobak.