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Arbeit im Wandel: Von Träumen und Realitäten

Im Blickpunkt
Von Dr. Heino Klingen

08.02.2018

Die Idee, flexibler und weniger zu arbeiten, ist nicht neu. Sie ist so alt wie die Menschheit und nachdem Sündenfall haben Theologen, Philosophen und Ökonomen immer wieder darüber spekuliert, wie man die Erdenbürger sogar gänzlich von der Fron der Arbeit erlösen könnte. So lesen wir etwa beim jungen Karl Marx, dessen Geburtstag sich in diesem Jahr zum zweihundertsten Mal jährt, dass es in der kommenden Gesellschaft möglich sei, „heute dies, morgen jenes zu tun, morgens zu jagen, nachmittags zu fischen, abends Viehzucht zu treiben, nach dem Essen zu kritisieren, ohne je Jäger, Fischer, Hirt oder Kritiker zu werden.“ Weniger idyllisch, dafür umso konkreter haben sich nicht minder prominente Geistesgrößen zur wünschenswerten Dauer der Arbeitszeit geäußert. Thomas Morus veranschlagt sie 1516 in seiner „Utopia“ auf sechs Stunden täglich. Dies würde reichen, um ein Leben in Eintracht und Wohlstand, ohne Arme und Bettler zu ermöglichen. John Maynard Keynes, der wohl einflussreichste Ökonom des vergangenen Jahrhunderts, hat diese Utopie 1930 wieder aufgegriffen und den Enkeln seiner Generation wunderbare Zeiten in Aussicht gestellt. Dank enormer Fortschritte in der technologischen Entwicklung könnten sie bei einer täglichen Arbeitszeit von drei Stunden einen vier- bis achtfach höheren Wohlstand genießen.

Nun leben wir in diesen Zeiten und stellen mit Genugtuung fest, dass die Produktivität tatsächlich deutlich gestiegen ist, sogar noch stärker als Keynes sich das erträumte. Nicht bewahrheitet hat sich indes seine Prognose über die Arbeitszeit. Wie viele andere seiner Zeitgenossen glaubte er, dass reife Gesellschaften früher oder später an Sättigungsgrenzen stoßen, sodass immer weniger Arbeit benötigt wird. Auch heute wird diese These wieder verstärkt vertreten – etwa durch den ehemaligen US-Finanzminister Larry Summers. Was mit Blick auf die täglichen Bedürfnisse und Güter noch einleuchten mag, stimmt aber nicht für den zutiefst menschlichen Wunsch nach Annehmlichkeiten, Komfort und Verschönerungen des Lebens. Hier sind nicht zuletzt wegen der rasend schnell fortschreitenden Technologisierung im wirtschaftlichen und privaten Bereich der Fantasie bezüglich neuer und der Ausdifferenzierung bestehender Angebote fast keine Grenzen gesetzt. Man denke nur an das Smartphone und seine Mehrwerte – noch vor wenigen Jahren gänzlich unbekannt, heute unverzichtbar. Das zeigt: Es wird auch weiterhin genug zu tun geben. Und das erklärt auch, warum der Achtstundentag, der vor genau hundert Jahren in Deutschland gesetzlich vorgeschrieben wurde, bis heute Norm und Normalität ist. Never change a running system! Abweichungen davon – wie etwa in der Metall- und Elektroindustrie – bestätigen bislang als Ausnahme nur die Regel.

Flexibler arbeiten? Ja, aber nicht weniger!

Doch jetzt kommen mit der Generation Y immer mehr junge Menschen in die Betriebe, denen es wichtig ist, Arbeit und Familie, Karriere und Privatleben individueller zu organisieren. Aus nachvollziehbaren Gründen: Sie wollen Bestleistungen erbringen. Doch dieser Anspruch passt nicht zwangsläufig in das starre Korsett eines Nine-to-five-Jobs. Und ebenso wichtig ist ihnen die gleichberechtigte Kindererziehung. Zumindest temporär möchten sie deshalb ihre Arbeitszeit reduzieren. Seit 2001 gibt es dafür zwar ein Teilzeit- und Befristungsgesetz, das auch rege genutzt wird – bislang vor allem von Frauen. Allerdings gelingt es ihnen nicht immer, nach der Babypause wieder länger zu arbeiten. Arbeitsministerin Nahles wollte deshalb bereits in der vergangenen Legislaturperiode das Problem mit einem Rückkehrrecht in Vollzeit lösen. Vergebens. Jetzt hat sich auch die IG Metall dieses Themas angenommen. Sie fordert, dass nicht nur junge Menschen aus familiären Gründen zur Kindererziehung und Pflege Angehöriger ihre Arbeitszeit auf 28 Stunden verkürzen dürfen, sondern auch Schichtarbeiter. Um Einkommensverluste zu minimieren, soll ihnen zudem ein Teillohnausgleich gezahlt werden.

Die IG Metall spielt damit wieder einmal Avantgarde. Setzt sie sich durch, dürften schon bald andere Gewerkschaften und Branchen folgen. Spätestens dann fängt es an, überall weh zu tun. Schmerzhaft würde es vor allem für mittelständische Betriebe. Denn ihnen dürfte es besonders schwer fallen, mit den schwankenden Einsatzzeiten ihrer Mitarbeiter zurechtzukommen. Von den zusätzlichen Kosten gar nicht zu reden. Aber auch gesamtwirtschaftlich ist mit Blessuren zu rechnen. Weil Fachkräfte schon heute rar gesät sind und durch die Arbeitszeitreduktion noch knapper würden. Metropolregionen mit steigender Bevölkerung wie Berlin, Hamburg oder München mögen das verkraften können. Bei uns im Saarland würde dadurch aber der ohnehin schon bestehende strukturelle Nachteil bei der Bevölkerungsentwicklung nur noch verstärkt. Das kostete Wachstum und Wohlstand.

Arbeitszeitgesetz reformieren!


Gerade aus saarländischer Sicht kann man deshalb nur hoffen, dass im Tarifkonflikt Lösungen gefunden werden, die helfen, das ausfallende Arbeitsvolumen zukompensieren. Hierfür werden die Unternehmen künftig aber auch noch mehr als heute auf Zeitarbeit angewiesen sein. Deshalb Hände weg von diesem bewährten Instrument. Hilfreich wäre zudem, wenn die neue Bundesregierung gemäß EU-Richtlinie die tägliche Höchstarbeitszeit im deutschen Arbeitszeitgesetz auf eine wöchentliche Basis von 48 Stunden umstellte. Das alles verschaffte Unternehmen die nötige Flexibilität, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können – ohne dass die Generation Y Abstriche an ihrem Lebensstil machen müsste.