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Aachener Vertrag: Chancen nutzen – Europa erfahrbar machen

Im Blickpunkt
Von Dr. Heino Klingen

08.02.2019

Mit der Unterzeichnung des Aachener Vertrages – auch zweiter Elysée-Vertrag genannt – am 22. Januar und die gut eine Woche später erfolgte Übernahme der Präsidentschaft in der Großregion durch das Saarland tun sich neue Chancen auf. Gerade wir im Saarland sollten sie rasch ergreifen, um die nach wie vor bestehenden Hindernisse in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit abzubauen. Spielraum besteht vor allem im Verhältnis zu Lothringen/Grand Est. Hier sind neue Initiativen wirtschaftlich notwendig, um den stockenden Integrationsprozess wieder zu beschleunigen. Sie sind zudem politisch erwünscht, um „im Kleinen“ aufzuzeigen, dass Protektionismus, Abschottung und fremdenfeindlicher Populismus weder im Interesse der Unternehmen noch der Bürgerinnen und Bürger ist.

Von all dem ginge auch ein wichtiges Signal für die im Mai stattfindenden Wahlen zum Europaparlament aus. Mit weiteren Vorschlägen zu konkreten Projekten den Menschen nahe bringen, wofür Europa gut ist – darum geht es jetzt. Wie nötig solche Initiativen sind, belegen aktuelle Forderungen nach einem Dexit – dem Austritt Deutschlands aus der EU. Das wäre bis vor kurzem noch undenkbar gewesen; erst recht von einer im Deutschen Bundestag vertretenen Partei, die dort die Rolle der größten Oppositionspartei innehat.

Doch welche Gestaltungschancen bietet der Aachener Vertrag, um die Identifikation der Menschen mit Europa durch transnationale Problemlösungen zu erhöhen? Eine ganze Menge, jedenfalls mehr als erste Reaktionen und Kommentare zum Vertragsabschluss glauben machen wollten. Das gilt vor allem für die herausgehobene Funktion, die der regionalen grenzüberschreitenden Zusammenarbeit jetzt eingeräumt wird, um bestehende Hindernisse abbauen und den Alltag der Menschen in den Grenzregionen erleichtern zu können. Sehr weitreichend ist dabei die Option, dass bestehende Gesetze und Vorschriften durch Ausnahmeregelungen ausgehebelt werden können, falls das nötig sein sollte. Beispielsweise dann, wenn es darum geht, gemeinsame Krippen, Kitas oder Schulen zu finanzieren, die außerhalb des eigenen Hoheitsgebietes liegen. Für die vielen lothringischen Arbeitspendler wäre das ein großer Fortschritt.

Zu begrüßen ist auch, dass ein „Ausschuss für grenzüberschreitende Zusammenarbeit“ eingerichtet werden soll, der unter anderem vorhandene Schwierigkeiten identifizieren und Vorschläge zu deren Beseitigung erarbeiten soll. Gerade wegen der eingeräumten Rechtsausnahmen ist das die geeignete Institution, um die enervierenden Entsenderegelungen im grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr auf ein verträgliches und absolut notwendiges Maß zurückzuführen.

Einen hohen Stellenwert genießt auch die Erhöhung der Mobilität über die Landesgrenzen hinweg. Verkehre sollen besser verknüpft werden. In einer Liste mit prioritären Vorhaben wird explizit der „schnelle Zug“ zwischen Saarbrücken und Paris genannt. Das ist ein Pfund, mit dem ab sofort zu wuchern ist, um die dauerhafte Wettbewerbsfähigkeit des Hochgeschwindigkeitsverkehrs auf der Strecke Frankfurt – Saarbrücken – Paris gegenüber dem Südast über Straßburg zu festigen. Nicht minder wichtig sind umsteigefreie Bahnverbindungen zwischen Saarbrücken, Metz und Straßburg, eine dauerhafte Sicherung des Saarbahnverkehrs bis Saargemünd sowie der Ausbau des grenzüberschreitenden Busverkehrs zur besseren Erreichbarkeit der Gewerbegebiete in Grenznähe.

Darüber hinaus bietet der Vertrag von Aachen auch Ansatzpunkte für den Ausbau der grenzüberschreitenden Kommunikationsinfrastruktur. Aus Sicht der Wirtschaft wäre es wünschenswert, an der deutsch-lothringischen Grenze eine Modellregion für den Ausbau eines modernen und störungsfreien Mobilfunknetzes im neuen 5G-Gigabitstandard einzurichten. Die Großregion könnte sich so als Vorreiter für Cloud-Computing und autonomes Fahren einen Namen machen.

Natürlich sind das alles nur kleine Schritte, die weit hinter dem zurückbleiben, was Konrad Adenauer und Charles de Gaulle einst beabsichtigten, als sie den ersten Elysée-Vertrag initiierten. Doch die hochtrabendsten Pläne nutzen nichts, wenn die Menschen nicht mitziehen. Der neue „Elysée-Vertrag“ setzt hier an, er will die Menschen mitnehmen. Jetzt liegt es an uns, den Worten schnell Taten folgen zu lassen, um ihn mit Leben zu füllen. Die saarländische Landesregierung hat signalisiert, dass sie dazu bereit ist. Vielleicht gelingt es ja dann doch noch eines Tages, das Vermächtnis der beiden Nachkriegsvisionäre von einer vollumfänglichen politischen Union mit gemeinsamer Staatsbürgerschaft sowie gemeinsamer Wirtschafts- und Außenpolitik umzusetzen.